Steve Airstone
Steve Airstone

 

 

Nachdem die kleine, karg eingerichtete Wohnung so wie jeden Tag perfekt gereinigt ist, zieht sie sich das Arbeitsgewand aus, geht kurz kalt duschen und schlüpft in ihr vielfärbiges Blümchenkleid und versucht sich möglichst schön für ihren lieben Mann herzurichten.
Ein zur festen Regel gewordenes Ritual, welches sie seit der Frühpensionierung ihres lieben Mannes, vor nun schon fast fünfundzwanzig Jahren, jeden einzelnen Tag immer wieder gerne aufs Neue durchführt.
Denn nur so muss ihr lieber, stets um ihr Wohl besorgter, Mann nicht schweren Herzens seine Hand gegen sie erheben, weil sie es wagt ungepflegt an seiner Seite am Tisch Platz zu nehmen um das gemeinsame Mittagsmahl einzunehmen. Fünf Minuten vor zwölf. Hastig poliert Anna Grünwald die zwei großen Teller für die Hauptspeise und stellt sie auf den kleinen Holztisch in der uralten, aber dennoch sehr sauber wirkenden Küche.
Zittrig sucht sie nach den einzigen zwei Messern, zwei Gabeln und den zwei Löffeln in der trostlos leeren Bestecklade und kontrolliert diese ebenfalls penibel auf Sauberkeit, bevor sie sich traut diese auf dem Tisch zu legen.
Nur mehr drei Minuten.
Vorsichtig schöpft die siebzig- jährige Frau die heiße Leberknödelsuppe in die zwei Suppenteller und stellt diese ganz sanft auf den Tisch um nur ja nicht wieder einen Teller zu zerbrechen. Vor einigen Jahren war ihr so ein Unglück leider schon einmal passiert. Über eine ganze Woche durfte sie darauf hin das kleine graue Häuschen, welches abgelegen am Ortsrand der Marktgemeinde liegt, nicht mehr verlassen.
So lange bis alle die Beulen, Flecken und Kratzer in ihrem Gesicht wieder so halbwegs verschwunden waren. Und erst zwei Wochen später durfte auch sie wieder eine Suppe zu sich nehmen.
So lange dauerte es bis ihr Mann bereit war, ihr wieder einen neuen Suppenteller zu kaufen. Seit diesem Tag musste ihr Mann aber nie wieder Geschirr oder Besteck nachkaufen.
So erfolgreich sind seine Bestrebungen die Fehler seiner Frau zu minimieren.
Das immer gleiche Feiertagsessen, die goldbraun gebackenen Wiener Schnitzel, hat sie zum Glück schon fertig in einer Warmhaltepfanne liegen. Und auch der Langkornreis steht schon fertig gekocht und dampfend in den beiden, kleinen Schüsseln, die oft auch als Salatschüssel dienen müssen, am Tisch.
Nur noch zwei Minuten.
Gleich ist es soweit, dass sich das Türchen der antiken Wanduhr öffnet und der heraus springende Kuckuck zwölfmal schreit.
Genau dann erscheint immer auch ihr lieber Mann, nur so darf sie ihn ansprechen, und nimmt stets stumm am Tisch Platz. Jetzt muss sie noch die beiden Trinkgläser nachpolieren und am Tisch situieren.
Noch eine Minute!

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Zum besinnlichen Nachdenken:

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Am Puls der Zeit:

Krimi der etwas anderen Sorte...

Das schrägste Werk:

Steve schräger als jemals zuvor, gnadenlos provokant und zugleich entspannend humorvoll! So wurde noch nie ein Pilgerpfad begangen...

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Etwas düster und unverschämt gnadenlos.

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© Stefan Luftensteiner


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